Die Bundesregierung hat sich festgelegt: Der amerikanische Tarnkappenjet F-35 und der weiterentwickelte Eurofighter sollen die in die Jahre gekommene Tornado-Flotte ersetzen. So will man es Washington und Paris recht machen – und Russland glaubwürdig abschrecken.
Man sah dem deutschen Luftwaffenchef Ingo Gerhartz am Montag die Erleichterung an, als er zusammen mit Verteidigungsministerin Christine Lambrecht vor die Presse trat. Beide bestätigten Berichte, dass Deutschland eine Entscheidung in Sachen Tornado-Nachfolge getroffen habe. Bis zu 35 amerikanische F-35-Tarnkappenjets und 15 weiterentwickelte Eurofighter sollen das in die Jahre gekommene Kampfflugzeug ersetzen.
Die Anschaffung des F-35A-Jets des amerikanischen Herstellers Lockheed Martin ist dabei nicht nur ein Detail für Luftwaffenexperten. Die als modernstes Kampfflugzeug der Welt geltende Maschine wird schliesslich die nukleare Teilhabe der Bundesrepublik im Rahmen der Nato sicherstellen. Gemeint ist damit, dass Piloten und Maschinen europäischer Länder amerikanische Atombomben im Konfliktfall zum Abwurfort bringen. Ausdrücklich erwähnte der Luftwaffenchef die glaubwürdige Abschreckung gegenüber Russland. «Gerade deshalb ist unsere Entscheidung für den F-35 ohne Alternative», sagte der Generalleutnant.
«Industriepolitisch charmant»
Gleichzeitig soll das europäische Kampfflugzeug Eurofighter so weiterentwickelt werden, dass es auch im modernen elektronischen Luftkampf eingesetzt werden kann. Damit soll sichergestellt werden, dass rüstungsrelevante Schlüsseltechnologie in Europa entwickelt wird. Als industriepolitisch «charmant» hatte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann diese Lösung zuvor bezeichnet.
Die «Ampel» hat ihr im Koalitionsvertrag gegebenes Versprechen, rasch über die Nachfolge des Tornado zu entscheiden, damit eingelöst. Gleichzeitig hat sie eine Abkehr von den Plänen der Vorgängerregierung vollzogen. Die hatte sich gegen den F-35 entschieden. Die christlichdemokratische Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer setzte stattdessen auf amerikanische F-18-Flugzeuge unterschiedlicher Typen sowie Eurofighter.
Rücksichtnahme auf Frankreich
«Mit der Absicht, ältere F-18 anstelle der topmodernen F-35 anzuschaffen, nahm man vor allem auf Frankreich Rücksicht», sagt Torben Schütz, Experte für Sicherheitspolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. «Die Franzosen fürchteten, dass mit der Entscheidung für den F-35 den Deutschen der Wille und die Mittel fehlen würden, sich auf Dauer an der Entwicklung eines europäischen Kampfflugzeugsystems zu beteiligen.» Frankreich, Deutschland und Spanien wollen bis 2040 ein neues Luftkampfsystem namens FCAS entwickeln, das neben einem Kampfflugzeug auch Drohnen und Satellitentechnik umfasst. Auf etwa 100 Milliarden Euro werden die Kosten allein für die Entwicklung geschätzt.
Französische Befürchtungen, die Anschaffung des F-35 gehe zulasten von FCAS, versuchte Ministerin Lambrecht am Montag zu zerstreuen. Deutschland wolle an dem gemeinsamen Projekt festhalten. Das habe sie bei einem Besuch in Frankreich deutlich gemacht. Zusammen mit der angekündigten Weiterentwicklung des Eurofighters sah man es in Berlin deshalb wohl als europapolitisch vertretbar an, sich für den F-35 zu entscheiden. Die transatlantische Bindung wiederum dürfte nicht nur durch einen Grossauftrag für ein US-Unternehmen gestärkt worden sein. In Washington wird man froh sein, dass Berlin bei der Zukunft der nuklearen Teilhabe nach Jahren des Stillstands endlich für Klarheit gesorgt hat.
Am Markt verfügbar
Die Vorteile der Entscheidung für den F-35 liegen für Befürworter wie den deutschen Luftwaffenchef auf der Hand. Das Flugzeug ist vom gegnerischen Radar nicht oder nur sehr schwer zu orten. Intern verlegte Waffenschächte etwa reduzieren die sogenannte Radarrückstrahlfläche. Die US-Zertifizierung für die nukleare Teilhabe ist zudem anders als beim F-18 weit fortgeschritten. Ausserdem ist das Modell am Markt verfügbar und muss nicht erst aufwendig entwickelt werden. Und weil immer mehr europäische Staaten – darunter auch die Schweiz – sich in letzter Zeit für den F-35 entschieden haben, gibt es einen weiteren Vorteil: Die europäischen Armeen können leichter kooperieren.
Als problematisch könnte sich aus Sicht des Experten Schütz indes noch die Entscheidung für die Weiterentwicklung des Eurofighters erweisen. «Die Entwicklung der Fähigkeit des Eurofighters zum elektronischen Kampf wird bei Airbus Jahre dauern. Es könnte sein, dass der Luftwaffe dann eine Fähigkeitslücke droht, wenn der Tornado ausgemustert werden muss, das neue System aber noch nicht fertig ist.»
Passend zum Artikel
Oliver Maksan, Berlin
Oliver Maksan, Berlin
Georg Häsler, Bern